YOGA & MODERN SCIENCE
Der achtfache Pfad
des Yoga im Blickpunkt zeitgenössischer Forschung
Auszug aus dem Yoga-Aktuell Dossier:
Burn-out und das Streben nach Glück
Von Lara-M. Vucemilovic
Yoga und Meditation sind indirekte Verfahren zur Steigerung des subjektiven Wohlbefindens. Wenn wir achtsam Yoga praktizieren, eröffnen sich uns neue Erfahrungswelten. Unsere Vorgehensweise, zu denken, in unsere Umwelt einzutauchen, den Eindrücken Raum zu geben, lässt uns die Konstanz der Veränderung entdecken.
Mit Yoga gehen wir einen Weg, der es uns ermöglicht, beständig das Ganze erfahrbar zu machen und uns dadurch auch das Einzelne zu vergegenwärtigen. Yoga versucht, mit dem Auge der Wissenschaft betrachtet, methodisch einzelne Ursache-Wirkung-Zusammenhänge näher zu beleuchten.
Um einen Überblick über die aktive Praxis des Yoga und der modernen Forschung zu geben, erscheint das Yoga-Sutra von Patanjali als Struktur am geeignetsten. Die unterschiedlichen Ausprägungen des Yoga, hier in acht Übungspfaden zusammengefasst, verlaufen parallel, bergen jedoch gleichzeitig eine Art notwendige Entwicklung, von einer äußeren, aktiven Praxis bis hin zur Stille der Achtsamkeit. Es wird unterschieden zwischen Bahiranga, dem externen Praxisaspekt, und Antaranga, den internen Übungsaspekten des Yoga, die aber auch zum Beispiel im Adya-Yoga, dem Yoga der Achtsamkeit, gleichzeitig aufeinandertreffen.
Yamas und Niyamas
Der Übungsweg des Yoga beginnt grundlegend mit Bahiranga, dem externen Praxisaspekt, und dem Beachten von Yama und Niyama. Man kann diese beiden Begriffe als ethisch-moralische Grundlage für
die nachfolgenden Körper- und Geistes-Übungen, wie zum Beispiel die der Konzentration, beschreiben. Ahimsa, Teil der Yamas, wird beispielsweise mit „Nicht-Verletzen“ umschrieben, damit ist
u.a. das Unterlassen von Gewalt gegen sich selbst und gegen andere gemeint. Bewusstsein auf die soziale Wahrnehmung zu legen, ist ein wichtiger Aspekt, um auch bewusst zu handeln und
einerseits Konflikte und andererseits die Entstehung von Stresszuständen zu vermeiden.
Asanas
Der nächste Pfad beschreibt die Praxis von Asanas, also Haltungen, Bewegungen und Dehnungen, die die Funktionen des Körpers gesund erhalten und je nach Auswahl der Übungen auch verschiedenen
Beschwerdebildern entgegenwirken können. Moderne Studien wie zum Beispiel die von Curtis, Osadchuk und Katz (2011) konnten den Einfluss eines achtwöchigen Yogaprogramms auf die Regulation der
HPA-Achse (HNNA), eine der sogenannten Achsen des Stresses (siehe unten), nachweisen, das mit messbar reduzierten Cortisolwerten bei den teilnehmenden Frauen mit Fibromyalgie
einherging.
Pranayama
Im Yoga wird durch die Atemübungen des Pranayama unter anderem auch eine Erhöhung oder ein Ausgleich aktivierender oder regenerativer Lebensenergien angestrebt. Die energetischen Modelle des
Yoga haben dabei Ähnlichkeit mit modernen Annahmen zu den regulatorischen Systemen von Parasympathikus und Sympathikus. Sassinek (2010) beschäftigte sich in Magnetresonanztomografie-Studien
(MRT-Studien) mit Kapalabhati, der so genannten Feueratmung, und den Effekten lang anhaltender, willkürlicher Hyperventilation auf Blutgase und Bewusstsein. Brown und Gerbarg (2005)
entdeckten in ihrer Studie zur Atemtechnik Ujjayi, dass diese den Symphatikus-Tonus senkt und sich förderlich auf die parasympathische Aktivität auswirkt. Eine Studie von Dhungel, Malhotra,
Sarkar und Prajapati befasste sich 2008 mit der Erforschung von Nadi-Shodhana. Laut Hatha-Yoga-Pradipika balanciert die Wechselatmung so genannte „aktive und passive Energien“ im menschlichen
Körper aus. Nach einem vierwöchigen Programm mit morgendlicher 15-minütiger Praxis der Wechselatmung konnten bei den Probanden dieser Studie eine Abnahme des systolischen und des
diastolischen Blutdrucks sowie ein Rückgang der Pulsrate beobachtet werden; vermutet wird, dass eine regelmäßige Praxis der Wechselatmung vermehrte parasympathische Aktivität zur Folge
hat.
Pratyahara
Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi bilden nach Patanjali „Antaranga“, den inneren Übungsaspekt. Mit Pratyahara wird dabei zunächst das Abwenden der Sinne von externen Objekten
beschrieben. Pratyahara stellt damit eine Art Zwischenschritt zwischen den äußeren und den inneren Übungsaspekten des Yoga dar. In diesem Zustand wird versucht, nicht an der Wahrnehmung durch
die Sinne anzuhaften. Man taucht in die Wahrnehmung der Sinne in seinem Inneren ein, ohne sich direkt auf Veränderungen zu konzentrieren und ohne Eindrücke erfassen oder gar festhalten zu
wollen. Als Vorübung zu Pratyahara könnte man traditionelle Achtsamkeitsübungen – wie die bewusste Sinneswahrnehmung – sehen. In einer Studie von Hölzel und Ott (2008) wurde bei den
Probanden ein Zusammenhang zwischen der Intensität ihrer Praxis von MBSR („Mindfulness-Based Stress Reduction“, einem Programm nach Jon Kabat-Zinn, das sich an verschiedenen Übungsaspekten
aus der buddhistischen Meditations- und Achtsamkeitspraxis des Yoga orientiert) und der Dichte der Großhirnrinde im orbitofrontalen Kortex (OFC), einer bestimmten Region an der Stirnseite des
Gehrins, entdeckt. Der OFC spielt nach bisherigen Forschungsergebnissen im Zusammenspiel mit anderen Hirnarealen eine wichtige Rolle bei der Bewertung von Emotionen und ihrer Regulation. Ein
wirksamer Aspekt einer bewussten Lebensweise und des bewussten Umgangs mit den eigenen Ressourcen ist es, das Bewusstsein auf das emotionale Erleben und auf die Motive des eigenen Handelns zu
legen.
Dharana
Mit Dharana, dem nächsten Übungsschritt, wird die vollkommene Konzentration des Geistes auf ein externes Objekt umschrieben, bis es auch im Inneren, vor dem geistigen Auge, fokussierbar ist.
Ein Beispiel für eine Übung ist Trataka, das Blicken auf eine Kerzenflamme mit dem Versuch, sie bei geschlossenen Augen weiterhin vor dem so genannten geistigen Auge zu fixieren.
Dhyana
Im Unterschied dazu ist Dhyana – die Absorption – vergleichbar mit dem Zustand des „Flow“ nach der wissenschaftlichen Definition von Csikszentmihalyi, M. (1990). Dhyana unterscheidet sich in
der Übungspraxis weiter darin, dass nun ein Zustand vollkommener Ruhe erreicht wird. Der Praktizierende muss sich nicht mehr um Konzentration bemühen. Zwischen dem Meditierenden und seinem
Meditationsobjekt – sei es etwas Materielles, Externes oder auch ein bestimmter Sinn oder der Atem – besteht noch eine Subjekt-Objekt-Beziehung. Der eigene Atem und der Atmende
werden noch getrennt voneinander wahrgenommen.
Samadhi
Im Zustand des Samadhi verändert sich diese Wahrnehmung. Hier wird noch einmal in vier unterschiedliche Wahrnehmungsebenen unterteilt. Wird in der ersten Meditationsform noch die Wahrnehmung
eines manifesten Objekts vertieft, so taucht man in weiteren Schritten mehr und mehr in ein subtileres Objekt, wie zum Beispiel ein Geräusch, ein, was dazu führen kann, dass der Meditierende
seine Ich-Wahrnehmung im Bezug zur Umwelt verändert und die Grenzen zwischen Innen- und Außenwelt zunehmend verschwimmen.
In Asamprajnata-Samadhi, einem Zustand des absoluten Bewusstseins, sind letztendlich zwischen dem Meditierenden und seinem Objekt keine Grenzen mehr vorhanden. Subjekt und Objekt werden
sozusagen „eins“. Dieser Zustand verändert laut der alten Yogaschriften auch die Wahrnehmung des Meditierenden im Alltag und seine kognitiven Fähigkeiten merklich.
Für Außenstehende ist dies oft ein transzendent anmutender Aspekt. Im Licht aktueller MRT-Studien (Hölzel und Lazar, 2011), die sich mit den Folgen intensiver Meditationspraxis auf das menschliche Gehirn befasst haben, kann dieser jedoch in einen interessanten Zusammenhang gebracht werden.So konnte zum Beispiel in dieser Studie ein Zusammenhang zwischen jahrelanger intensiver Meditationspraxis und der vermehrten Ausbildung grauer Substanz (= dem Teil des Zentralnervensystems, der überwiegend aus den Zellkörpern der Nervenzellen besteht; im Gegensatz zur weißen Substanz, die hauptsächlich aus den Nervenfasern, d.h. den Fortsätzen der Nervenzellen, besteht), in einzelnen Hirnarealen beobachtet werden, getreu dem Motto „Use it and improve it“.
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